Gesetze sind wie Spinnennetze by Margaret Millar

Autor:Margaret Millar [Millar, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783257607376
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Der Richter und die Geschworenen und die meisten Zuschauer verließen den Saal. Eva wäre gern geblieben und hätte sich mit Cully unterhalten, aber der war in ein Gespräch mit Donnelly vertieft, weshalb auch sie auf den Flur hinausging.

Auf der Bank direkt unter dem Schild BITTE RUHE, VERHANDLUNG saß ein schwarzgekleideter Mann mittleren Alters mit grimmigem Gesicht. Er trug eine verspiegelte Sonnenbrille, die das Bild der anderen Menschen reflektierte, sein eigenes aber verbarg. Eva sah ihn nicht zum ersten Mal an eben dieser Stelle sitzen, manchmal sich unterhaltend, manchmal mit geneigtem Kopf, als bete er oder zähle die Fliesen auf dem Fußboden oder höre einfach nur zu, was alle anderen zu sagen hatten. Den Gerichtssaal hatte er nie betreten.

Als Eva gerade an ihm vorbeigehen wollte, erhob sich der {213}Mann und trat zu ihr, seine beiden Arme steif nach unten haltend.

»Miss Foster?«

»Ja?«

»Ich habe Sie da drin im Gerichtssaal beobachtet, deshalb weiß ich, wer Sie sind.«

»Ich habe Sie nie dort gesehen.«

»O nein, ich darf da auch nicht rein. Aber wenn die Tür aufgeht, dann schaue ich rein, um zu sehen, was da drinnen los ist.«

»Warum dürfen Sie nicht hinein?«

»Ich bin als Zeuge geladen. Man hat mir gesagt, es sei üblich, die Zeugen vor und selbst noch nach ihrer Aussage vom Gerichtssaal fernzuhalten. Aber das ist nicht fair. Ich möchte hinein und hören, was sie über sie sagen. Ich möchte aufstehen und allen sagen können, was für eine gute Frau sie war, eine gute, gottesfürchtige Frau.«

»Sie sind … sind Sie ihr Mann?«

»Ja.«

»Sie werden Gelegenheit zum Sprechen haben, wenn Sie an der Reihe sind, Mr. Pherson.«

»Das ist viel zu spät. Ich höre doch die Leute hier auf dem Flur reden, deshalb weiß ich, was da drin passiert, all die Verleumdungen, die Lügen. Sie hat nie getrunken, ihr Leben lang keinen Tropfen Alkohol angerührt. Und Gott weiß, daß sie nie allein in eine Bar gehen und da einen Mann ansprechen würde, einen Schwarzen noch dazu. Lügen, Lügen, ein verrücktes Lügengespinst, das der Mörder da gewoben hat.«

»Bitte sprechen Sie leiser, Mr. Pherson, oder der {214}Gerichtsdiener wird Sie zum Verlassen des Gebäudes auffordern.«

Er starrte sie an, als habe er einen Augenblick lang ganz vergessen, daß sie da war, eine lebendige Person und keine leere Wand, an die man die Wörter warf. »Sie sind sein Freund.«

»Der Gerichtsdiener und ich kennen uns schon sehr lange, aber das bedeutet …«

»Nein, ich meine den anderen, den Schwarzen. Ich habe Sie beide vor den Sitzungen miteinander sprechen sehen, sich einander zuneigen, lächelnd, sehr freundlich, sehr behaglich. Was flüstern Sie ihm ins Ohr?«

»Ich habe ihm nie etwas ins Ohr geflüstert.«

»Ich habe Sie ihm da was in sein schwarzes Ohr raunen sehen. Bei uns zu Hause gibt es einen Pilz, der wird Baumpilz genannt und sieht aus wie ein schwarzes Ohr, und der ist glänzend und schleimig.«

»Hier so im Flur herumzuhängen ist nicht gut für Sie, Mr. Pherson.«

»Nun, dann werd ich Ihnen sagen, was Sie ihm in sein schleimiges schwarzes Ohr flüstern können. Sagen Sie ihm … sagen Sie ihm, daß er, wenn er für unschuldig befunden wird, nicht frei sein wird, nie und nimmer frei.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.